Liebe Person, die das liest,
Zunächst einmal vielen Dank dafür, dass du dir diese Information aus erster Hand einholst.
Einer der Gründe, aus denen ich mich in den letzten Jahren aus der Öffentlichkeit herausgehalten habe, ist, dass meine Tätigkeiten währenddessen ausschließlich privat waren und ich meine Zeit und Konzentration schützen musste. Ich war auf Fortbildung.
Jetzt ist es Zeit, das, was ich gelernt habe, mit dem, was ich bereits wusste, zu vereinen. Ein öffentliches Coming-out ist notwendig, damit die Menschen, denen ich ab sofort meine Unterstützung und Mitwirkung anbiete, davon erfahren können.
Falls dir beim Lesen spontan Personen oder Gruppen einfallen, für die das interessant oder hilfreich sein könnte, wäre eine Weiterleitung wunderbar. (Auf Twitter werde ich so schnell nicht wieder erscheinen, und auch Instagram möchte ich gerne vermeiden.)
Antworten auf die wichtigsten Fragen vorweggenommen:
- Ich besitze nur eine Tasse und keinen Schrank
- Dies ist kein Hoax, Halloweenstreich oder Rollenspiel
- Ich werde von keiner religiösen Gruppierung befehligt
- Die Veränderung ist permanent und (mindestens) lebenslang
Mein Name ist jetzt Swami Dhyānānanda Saraswati
Anredename: Swami (kumpelhaft sowie Selbstbezeichnung) /Swamiji (zugewandt)
Nichtbinär (das beudeutet: kein gender).
engl.: they/them, dt.: Pronomen bitte weglassen, genderneutrale Anrede
Dhyāna bedeutet tiefe Meditation oder ununterbrochener Gedanke an das Höchste Prinzip, und Ānanda bedeutet die Freude daran.
Ende 2023 wurde ich ordiniert mittels Sannyasa Diksha in Madhya Pradesh, Indien. Zuvor war ich seit 2019 Brahmacari, was organisatorisch und lebensstilbezogen, nicht inhaltlich, vergleichbar ist mit Postulat und Noviziat. Seither bin ich Mönch, genau genommen Bettelmönch. In die heutige Zeit und realistische Verhältnisse übertragen heißt das, dass ich einen minimalistischen und nachhaltigen Lebensstil führe, und falls ich zu mehr Geld kommen sollte als dieser benötigt, die Differenz umgehend für gemeinnützige oder mildtätige Zwecke weiterleite. Weitere Grundsätze und Regeln von Sannyasa sind Gewaltlosigkeit (was ich strukturell auslege), Desinteresse an Vermögen sowie an Aufmerksamkeit, Wohlstand, Entertainment, Anerkennung, Romantik, Zeitvertreib, Ablenkungen, Schnickschnack, Klatsch und Tratsch, usw. sowie deren Ausprägungen, Aufgabe der Bevorzugung der eigenen Familie, Clique oder Vorlieben vor anderen, Aufgabe der Identifikation mit Geschlecht, Gender, Namen, ‚Errungenschaften‘, etc., kurz: nach Kräften das Ego ruhigzustellen, um sich möglichst ohne Trübungen durch rosa Brille, Drama oder Wunschdenken höheren Themen und humanitärer Arbeit widmen zu können.
Mein Gelübde beinhaltet, dass ich das Leben nicht nur der Meditation und Selbsterkenntnis widme, sondern auch dem Dienst an Menschen, die zu wenig Unterstützung erhalten. Beginnen will ich damit, Hilfe zur Selbstregulierung anzubieten, u.a. indem ich traumainformiertes Yoga unterrichte für Personen und Communities, die in herkömmlichen Yogaklassen kein geeignetes Programm finden (weil Yoga hierzulande leider zu 99% falsch verstanden und als Stretching in Strumpfhosen und Gymnastik für Flexibilität interpretiert wird), und/oder kein sicheres und vertrauenswürdiges Umfeld in diesen Klassen und Studios vorfinden. Ich verstehe sehr gut den schlechten Ruf, den ‚Yoga‘ außerhalb weißer Ober- und Mittelklasse hat, und möchte mich dafür einsetzen, dass Diejenigen, denen es am meisten zugute kommen kann, aus erster Hand erfahren und lernen, was Yoga eigentlich ist, nämlich die traditionelle Lehre der Befreiung von emotionaler Verwundbarkeit und der Herstellung und Erhaltung innerer Harmonie (optional als ideale Vorbereitung für Spiritualität und spirituelle Studien). Dass ich das in den letzten 17 Jahren aus erster Hand lernen durfte, hat wahrscheinlich mehr dafür getan, dass ich komplexes Trauma überwinden und seelisch und emotional heil werden konnte, als alle anderen Umstände zusammen. Nicht, dass es das einzige Instrument dafür war, aber es war der Einstieg, der eine notwendige Faktor, um alle anderen Mittel auf fruchtbaren Boden treffen zu lassen – um überhaupt offen und aufnahmefähig zu sein für alle nachfolgenden Arten von Heilung und Hilfe.
(Mehr Ressourcen und Artikel von mir dazu, warum Yoga gerade für Menschen, die durch Diskriminierung belastet werden, wichtig sein kann,
hier und auch weiter unten im Beitrag.)
Ich möchte Yoga marginalisierten Gruppen, Personen und Communities vorstellen, die davon bislang so abgestoßen und abgeturnt sind wie ich es früher auch war, und zwar so, dass sie sofort spürbare und unmittelbare Erleichterung verspüren. Und ich will dafür werben, dass möglichst Viele eine Ausbildung als Community-Yoga-Teacher machen, so dass sich Gruppen unabhängig bilden können und dass alle, die das möchten, in einem zugewandten Umfeld die weniger bekannten und nicht gymnastik-orientierten Aspekte von Yoga für ihre Selbstregulierung lernen können.
Meine Kernaufgabe verstehe ich aber darin, eine Vertrauensperson zu sein für Selbstfürsorge, Spiritualität, Religion als schwieriges Thema, und sofern gewünscht eine Annäherung an Vedānta für Menschen, die bisher keine Möglichkeit haben, diese Themen gefahrlos, retraumatisierungsfrei und ergebnisoffen (!) zu besprechen.
Religion und Spiritualität vs Diaspora?
Spiritualität ist ein heikles Thema in Schwarzen Communities und generell vielen Communities of Color. Auch auf viele andere Minorisierte trifft das zu. Ein Grund, aus dem Religion kein Thema für viele marginalisierte Menschen ist, ist, dass wir an so vielen Fronten kämpfen müssen, dass am Ende des Tages oft nur Erschöpfung übrig ist.
Viele von uns mussten sich zudem den größten Teil ihres Lebens gegen die Grundannahme (und daraus entsprungene benachteiligende Behandlung) wehren, weniger rational zu sein als die Mehrheitsgesellschaft. Dass wir alle gemeinsam lange darüber lachen könnten, dass es sehr schwierig ist, weniger rational zu sein als die Mehrheitsgesellschaft, spielt dabei traurigerweise keine Rolle, weil Unterstellungen als ideologische Grundlage von Diskriminierung unabhängig von ihrem Wahrheitsgehalt wirken. Weil es bei Diskriminierung nicht um Erkenntnisse oder Wahrheitsfindung geht, sondern um emotionalen Komfort der mächtigen Gruppe. Zurück zum Thema. Viele marginalisierte Menschen vermeiden Religion, um nicht noch mehr für irrational gehalten zu werden, denn Religion und Spiritualität gelten weitgehend als Gegenteil von rational. Das ist auch nachvollziehbar wenn man die bekanntesten Religionen in ihren auffälligsten Ausprägungen und lautesten Vertreter_innen / Befürworter_innen betrachtet. In Wirklichkeit sind diese aber nicht Religion™ als Monolith oder Überbegriff für die Unternehmung der Erkundung der Beziehung des Selbst mit dem Universum, oder Ontologie, Philosophie, Mystik, offener Dialog hierüber, usw. , sondern stehen für bestimmte Glauben, durchgesagt von bestimmten (lauten) Repräsentierenden. Aus Ermangelung an Kenntnis der weniger lautstarken Aspekte, Glaubensrichtungen, Ausrichtungen, Methodiken, Philosophien, usw. setzen wir das abschreckende Bild, das Religionen uns bieten, gleich mit Religion-per-se. Das ist kein Vorwurf, ich glaube dass es im Prinzip zwangsläufig so passieren muss angesichts der Art und Weise, wie Religion oft auffällig wird. Wie wunderbar friedlich und heilsam Spiritualität sein kann, ist nun mal weniger laut. Dass Religion manipulationsfrei und rational bis hin zu wissenschaftsfreundlich sein kann, und manche alten Texte sogar jüngere Erkenntnisse von Quantenphysik und Astronomie vorwegnehmen, ist bei uns einfach nicht so auf dem Schirm. (Das hier nicht, um den Punkt zu machen, dass das zum Ermessen der Legitimität von Religion relevant sei, denn das ist es nicht, sondern nur als Argument dafür, dass nicht alle Religion ein Widerspruch zu Wissenschaft ist. Und von Aberglauben, der Wissenschaften innewohnt, auch mal ganz abgesehen.)
Auszubrechen aus der Unterstellung irrational zu sein, durch möglichst großen Abstand von Religion, kann also Teil der Überlebensstrategie sein. Für Menschen, die von Rassismus belastet sind, ist das allerdings eine besonders hoher Preis. Denn wohl nichts kann so sehr Trost spenden in Zeiten schwindender Hoffnung, wie die Erfahrung universeller bedingungsloser Liebe, und die Überzeugung dass es übergeordnete ethische/moralische Gesetzmäßigkeiten gibt.
Es hat Gründe, dass die innigsten religiösen Lieder von Menschen in unendlich leidvollen Lebenslagen geschaffen und gesungen wurden. Wenn wir, was wir sollten, annehmen, dass diese Menschen nicht naiv und dysfunktional selbstzerstörerisch sondern durchaus einschätzungsfähig und klug waren, kommen wir nicht um den Schluss umhin, dass die Vorteile, die sie aus Religion zogen – sogar Religion, deren Vertreter koloniale Überfälle rechtfertigten – die Nachteile überwogen. Alle, die Argumente vorbringen, Religion sei etwa für Schwarze amerikanische Menschen nur ein Deckmantel gewesen für Treffen und Gemeinsamkeit, lade ich dazu ein, die Liedtexte zu lesen, Aufnahmen anzuhören und eine Gemeinde dort zu besuchen. Der spirit, der Geist, um den herum Religion sich bildet; das, was wir meinen, wenn wir den Begriff „Religion“ vermeiden und statt dessen „Spiritualität“ sagen, dieser Geist wirkt im Individuum und in der Community, unabhängig davon, wie lang und schwer sein Container Religion für niedere Zwecke missbraucht wurde und wird. Ich bin davon überzeugt, dass Religionen nicht das Problem sind, sondern die Gier nach Macht und Geltung von Denjenigen, die sich als ihre Gatekeeper verstehen, und sie einseitig und verzerrt zu ihrem eigenen Vorteil auslegen.
Religion vs Ratio?
In der deutschen Öffentlichkeit fällt Religion größtenteils unter den Tisch im Zusammenhang mit anderen gesellschaftlichen Themen, weil es nicht als notwendig betrachtet wird, sondern als optional. Aber ist es das wirklich? Ich kann nur für mich sprechen, dass ich als Kind durchaus großes Interesse hatte, weniger im gläubigen Sinn, als viel mehr aus reiner Neugier, zu erfahren, ob es so etwas wie „Gott“ wirklich gibt, warum es ein Mann ist (schreibe das nicht aus heutiger Sicht, der klar ist dass es kein Mann ist, sondern aus der damaligen Sicht), ob es Engel gibt oder was außer dem Nikolaus sonst noch gelogen ist, ob Sterben furchtbar schlimm ist und was danach kommt, ob es Himmel und Hölle gibt, ob Suizid immer automatisch in die Hölle befördert, ob die Gestorbenen uns sehen können, ob es noch andere Gründe außerhalb von Bestrafung gibt warum Lügen und Gewalt schlecht sind, usw. Spätestens sobald ich im Religionsunterricht Nachfragen auf unbefriedigende Antworten stellte, wurde mir signalisiert, dass ich mich auf dünnem Eis bewegte und besser den Mund hielt als weiter zu versuchen, diesen Dingen auf den Grund zu gehen. Meine psychologische Reaktion darauf war naturgemäß Abhaken als ’nicht ernstzunehmen‘, Desinteresse und folgliches Ignorieren von Religion (unterstützt duch Beobachtungen des Betragens von Religionsvertretenden). Das ging so lange bis 30 Jahre später, durch Begegnungen mit indischen Religionen, die Erinnerung daran geweckt wurde, dass das alles eigentlich sehr interessante Themen sind, die genau genommen nicht nur „Themen“ waren, sondern mich selbst unmittelbar und im Kern betreffen, und dass die Erkundung dieser Dinge nichts anderes ist als ein Weg zu Selbsterkenntnis. Dafür brauchte es für mich neben jahrzehntelangem Durchhalten auch Reisen nach Südasien; das sind aber privilegierte Umstände, die die Wenigsten haben.
Swami wie? Was?
Sannyasa, die Ordinierung im Hinduismus, ist nicht wirklich vergleichbar mit christlichem monastischen Leben insofern als Sannyasis die Finger von Alkohol und Rollbraten lassen die meisten Sannyasis nicht in einem zentral gelenkten Ordensverband leben sondern allein oder in autonomen Gruppen und Ashrams. Da meine Initiationslinie, nicht aber meine Ordination, in einer zentralisierten Gruppe ist, genieße ich den Vorteil, enge Anbindung an den Orden zu haben, aber leben und arbeiten zu können, wo und wie ich will. (Natürlich innerhalb von monatischem Kodex, aber das ist in „wie ich will“ beinhaltet.)
Meine Parampara, also meine Linie und die Lehre, der ich folge, ist Vedānta und Yoga nach Sri Ramakrishna, Sarada Devi und Swami Vivekananda.
Swami Vivekananda war der erste Swami, der Vedānta und Yoga in den Westen brachte (zunächst im Jahr 1893 als Redner und Panelist auf dem World’s Parliament of Religions Kongress in Chicago), in der Hoffnung, dass die westlichen Gesellschaften mehr Achtung für andere Kulturen entwickeln und sich selbst sowie ihre kolonialen Aggressionen insgesamt etwas entspannen würden, wenn sie lernten, wie Karma funktioniert und dass die ganzen Plünderbereicherungen kein Vergleich sind zur Freude an Selbsterkenntnis (Swamiji hat sich viel weniger verkürzt und eleganter ausgedrückt, in der Sache aber durchaus deutlich). Mit einigem Erfolg. Der ganze Westen hat es zwar nicht verstanden, aber Respekt für asiatische Kulturen, Lehren und Philosophien wuchs durchaus. Es gründeten sich, inspiriert und organisiert vom charismatischen Swami, zahlreiche Vedānta Gesellschaften unter dem Dach desselben Ordens, Ramakrishna Math and Mission, dessen Zentrale in Belur, in der Nähe von Kolkata, West Bengal ist. Seitdem wurden und werden von Ramakrishna Math, nach Anmeldung von örtlichem Bedarf, viele weitere Swamis aus Indien in alle Kontinente entsandt, um Seelsorge, systematischen Unterricht in Vedānta, Meditation, Gebet und Gottesdienste anzubieten.
Durch die Vorträge eines Swamis desselben Ordens, der in diesem Rahmen in den Westen entsandt worden war, bin ich auch auf Vedānta gestoßen. (Eigentlich hatte ich nur nach einem Yoga-Podcast gesucht…) Ich war erschrocken darüber, wieviele Fragen mir diese Philosophie? Religion? Weisheit … beantwortete, von denen ich absolut sicher gewesen war, dass es keine Antworten für sie gab; nicht minder überrascht war ich von der Nähe der besprochenen Inhalte zu meinem Leben. Im Prinzip bekam ich die ganzen „warums“ und „wie eigentlichs“ meines Lebens erklärt, die ich mir selbst gar nicht erlaubt hatte als legitime Fragen in Betracht zu ziehen, weil das alles nicht physikalisch messbar war. Heute weiß ich natürlich, dass der Unterschied zwischen starker Zuneigung und Abneigung auch nicht physikalisch messbar ist, oder der Unterschied zwischen einem schön ruhigen und einem langweiligen Gitarrenriff, und dass Messbarkeit generell kein Kriterium dafür ist, ob etwas wahrhaftig ist oder nicht – weder in der Wissenschaft noch in der Selbstbetrachtung – , aber zu dem Zeitpunkt hatte ich noch nicht das Instrumentarium dafür, das alles auseinanderzuhalten und die richtigen Schlüsse zu ziehen.
Ein besonders wichtiger Faktor war für mich, dass der vortragende Swami konstant eine Haltung an den Tag legte, aus der absolute Bescheidenheit, Akzeptanz aller Religionen und auch von Nichtglauben, starkes Commitment zum Auseinandernehmen normalisierter Heucheleien und toxischer Positivität, expliziter und differenzierter Verurteilung von Kolonialismus und Verständnis seiner Folgen bis heute, und die Abwesenheit, oder zumindest der ernsthafte Wille zur Überwindung, von Vorurteil, unterschwelligem Chauvinismus, Rassismus, Cis- oder Heterosexismus sprachen. Andernfalls hätte ich mir das nicht anhören können, ungeachtet der Inhalte (vergleiche Hochschulstudium oder Dokumentarfilme). Es dauerte noch Jahre, bis ich den Swami treffen und [nervös] bitten würde, mich unter die Fittiche zu nehmen. Heute ist mit klar, dass der persönliche Charakter meines Lehrers Swami Tyagananda ausschlaggebend dafür war, dass ich überhaupt Zugang zum Studium von Vedānta fand, weil ich ansonsten wohl schon an den Zumutungen der Darreichungsform abgeprallt wäre. In diesem Geist will ich ebenfalls versuchen, Situationen zu ermöglichen, in denen das Hören, Besprechen und Erwägen spiritueller, metaphysischer oder religiös philosophischer Themen überhaupt erstmal als etwas anderes erscheinen kann als sonntägliche Geiselhaft in Vorhölle mit Stehpult, von dem überkommene Haltung gepaart mit selbstgerechter tiefer gesellschaftlicher Planlosigkeit, erzkonservativer Dominanzkulturerhöhung, unterdrücktem und projeziertem Hass und verwirrten wie verwirrenden Durchsagen im Brustton der Überzeugung herniederprasseln.
Jede Religion kann für Rückschritt und Zwietracht instrumentalisiert werden, und genauso kann jede Religion als Motor für Fortschritt und Besinnung auf Moral und bedingungslose Geschwisterlichkeit dienen, was leider viel seltener dieselbe Lautstärke erreicht. Es kommt drauf an, wer sie verwaltet.
Wem das oben Geschilderte zu gnadenlos klingt (n.p.i.), ich beziehe mich auf die Auslegungen und den Missbrauch von Religionen und religiösen Lehren von empathiefreien Personen bzw. Konglomeraten, nicht auf die Lehren und Aussagen selbst. Dass religiöser Terror im Kleinen wie im Großen viele Menschen heute noch umfassend belastet und Menschen zum Schlimmsten treiben kann, ist kein Geheimnis. Ich möchte hier mit authentischer Intensität wiedergeben, in welchem Ausmaß ich Widerstände gegen intolerante Religionsausübung gut nachvollziehen kann und nach wie vor teile und befürworte. Prophylaktisch: Texte, die mehrere tausend Jahre alt sind, aus damals vergleichweise homogenen Kulturen, die sich uns hier und heute nur zum Teil erschließen, so auszulegen, dass daraus in der heutigen Zeit ein Herabsehen auf Personengruppen, Communities, Glauben, Traditionen, Lebensstile oder andere Religionen herzuleiten sei, anstatt auf dutzende andere Möglichkeiten des Übertrags in die gegenwärtige Gesellschaft, ist eine bewusste Entscheidung. „Das steht da halt so“ ist in Wahrheit oft gar nicht der Fall, vielmehr bezieht sich eine Vielzahl von Dogmata auf Übersetzungsversuche und Auslegungen von uralten Sprachen, die die Personen, die am lautesten „das steht da aber so“ wettern, selbst überhaupt nicht in der Lage waren zu lesen (und folglich differenziert zu interpretieren); außerdem: ob eine Religionsauslegung, die Menschen nicht dient, angeblich „die Stimme Gottes“ sei, ist unwichtig, weil die Beschäftigung mit ihr zu nichts Gutem führen kann.
Außer den traditionellen Religionen gibt es auch noch „Religion ohne Religion“, oft genannt „Spiritualität“ aber sich in Wirklichkeit oft entpuppend als New Age, von dem ich persönlich nichts halte, dazu falls nötig an anderer Stelle mehr. Nur so viel, New Age schafft es, aus Gutgläubigkeit, Leidensdruck und Verzweiflung Geld zu machen mit sogar noch weniger Hemmung, Empathie und Kontrolle als die etablierten Religionen.
Ost-West, Glaube, und Persönliche Erfahrungen
Mein Vertrauen gilt nach wie vor Personen, von deren Integrität ich überzeugt bin, und daran ändert nichts, ob das Mönche, Aktivist_innen, Busfahrer_innen oder Gärtner_innen sind (oder alles zusammen in einer Person). Wenn sich das mit der Integrität ändert, ändert sich auch der Grad des Vertrauens, und die Bereitschaft, die Beiträge der Person in Betracht zu ziehen. Diese Haltung kann ich für religiöse oder spirituelle Angelegenheiten besonders empfehlen. Oft gibt es im Rahmen von Religion erhöhte Bereitschaft, Unstimmigkeiten zu ignorieren, Bauchgefühl zu überhören, Sachen mitzumachen, die nicht gut tun, sich selbst als unbedeutend zu betrachten, ausweichende (nicht-)Antworten zu akzeptieren, usw., mit der Maxime, dass Logik in Religion nichts zu suchen habe, da Religion glaubensbasiert sei. So bekam ich es als Kind beigebracht und so beobachte ich es heute noch in einigen Kontexten. Und halte davon gar nichts.
Eine Religion ist wie eine eigene Sprache.
Dieser Satz war es, den ich vor vielen Jahren in einer Vorlesung von Swami Tyagananda hörte, der für mich mit wachsendem Verständnis im Laufe der Jahre immer präziser eins der Geschenke beschrieb, die Religion im Erfolgsfall zu bieten hat.
Wer Religion nicht versteht (und wer möcht’s verdenken) muss deswegen nicht gleich behaupten, das sei alles Kauderwelsch, Unsinn, Einbildung oder Beschränktheit.
Um Religion zu verstehen, ist es erst einmal notwendig, zu wissen, dass im Westen und im Osten unterschiedliche Dinge damit gemeint sind. Im Westen ist der Begriff Religion™ verknüpft mit dem Gottesverständnis der abrahamischen Religionen. Buddhismus ist aber zum Beispiel eine Religion, die lehrt, dass es keinen Gott gebe.
Hinduismus ist nicht wirklich „eine Religion“ sondern ein Überbegriff für eine Vielzahl philosophischer und ritueller Traditionen, von denen manche, aber nicht alle, glaubensbasiert sind, und denen einige Kern-Elemente gemeinsam sind. Advaita Vedānta ist die mystische Lehre der Veden (Indischer Überlieferungen; nicht „Schriften“, weil die Veden so alt sind, dass sie vorschriftlich sind und traditionsgemäß mündlich überliefert werden), und wird oft als
Self Knowledge bezeichnet – Selbsterkenntnis. Es ist die systematische angeleitete Erkundung des Kerns des eigenen Seins. Wem das zu abstrakt klingt: Fragen zur eigenen spirituellen Identität, [Gott], universalen Gesetzmäßigkeiten, Leben und Tod, die sich wahrscheinlich jede Person einmal stellt, werden in Vedānta systematisch behandelt. Alle Zweifel und (aufrichtigen) Fragen werden vorgebracht, ernst genommen und im Detail erörtert. Das Ziel ist Freiheit von Angst und Ängstlichkeit, Erkenntnis der wahren Dimension der eigenen Identität, und dadurch anhaltende Ausgeglichenheit und Befreiung von emotionalem oder psychischem oder seelischem Leiden. Eine Kern-Betrachtung ist dabei, dass das, was als „Gott“ aufgefasst wird, nicht getrennt ist von dem, was der eigentliche Kern jedes Individuums ist (nicht das Ego sondern das, was sich dahinter versteckt).
Im Prinzip ist Vedānta die Vedische Methodik zum Verständnis und Einsatz von spirituellem Befreiungswissen. (Eine
Beschreibung der Vedānta Society ist hier.)
Aus meinem philosophischen Interesse an Vedānta wurde sehr schnell Überzeugung, die vom direktem Abgleich mit meiner eigenen Lebenserfahrung herrührte. Glaube ist kein maßgeblicher Teil davon gewesen und das ist bis heute so. Immer mehr Aspekte, Bereiche und Erkenntnisse taten sich auf, bis das advaitische Studium der Upanischaden und Bhagavad Gītā für mich schließlich relevanter wurde als alles andere, sinngemäß entlang Swami Vivekanandas Aussage „wenn das wahr ist, ist nichts anderes relevant, und wenn es nicht wahr ist, was ist dann überhaupt relevant“. Entwarnung: Dass es im Ordensgelübde endet, ist aber kein typischer Verlauf.
Vedānta kann mit Glauben kombiniert werden, funktioniert theoretisch auch ohne, dann aber mit erhöhtem Schwierigkeitsgrad. Welcher Glaube, spielt dabei nicht so eine Rolle wie die Haltung und die persönlich fokussierten Inhalte. Unterschiede und Meinungsverschiedenheiten dahingehend bestehen im Prinzip ausgeprägt innerhalb jeder Religion und natürlich von Individuum zu Individuum. Jede Religion hat ihre mystische spirituelle Richtung, und im Kern sind diese sich überaus ähnlich. Advaita Vedānta versteht sich in einigen Auslegungen (nicht in allen Auslegungen, aber der von Sri Ramakrishna und Sarada Devi) als Schirm für die Methodik nichtdualer Selbsterkenntnis, daher gibt es nicht nur hinduistische sondern auch christliche, muslimische, jüdische, zoroastrische, Bwiti-, und sogar auch ein paar atheistische Vedantins.
In den Texten von Vedānta bezeichnet das Wort Brahman („Das [allumfassende] Weite“) ‚die höchste Instanz‘ (und das höchste Selbst) ohne Eigenschaften und Attribute, und das Wort Īshvara /Īshvarī bezeichnet eine persönliche Gottesvorstellung mit Attributen. Jede Person ist dabei dazu angehalten, gedanklich den Begriff und das Konzept einzusetzen, zu dem sie persönlich die positivste Beziehung hat oder herstellen möchte, z.B. Great Spirit, Allah, Kāli, Olorun, „kreatives Prinzip des Universums“, Heilige Mutter, „Höhere Gerechtigkeit“, „Zufall, den es nicht gibt“, „Abgabestelle für gelegentliche Dankbarkeit“, …
Neben seiner spirituellen Kernaufgabe ist Vedānta auch interessant, hilfreich und, ja, doch,
nützlich. Unter anderem ist es der denkbar gründlichste Kurs in wohltuendem Stoizismus sowie in
kognitiver Verhaltenstherapie CBT (bewährt seit 5000 BCE, jetzt auch in ihrem örtlichen Tempel) und noch einiger anderer Lehren und Techniken, die heute konkrete und praktische Hilfestellung bieten können.
Ordentliche Transparenz
Das Motto von Ramakrishna Math ist
ātmano mokṣārthaṃ jagad hitāya ca – „Zur eigenen Befreiung und zum Wohle der Welt“. In Deutschland ist auch ein
Vedānta Zentrum, bei dem ich Mitglied bin
. Ich operiere in zugewandter Unabhängigkeit davon, besuche Veranstaltungen und habe informell viel Schönes von dem hiesigen Swami gelernt, aber zum Beispiel keinen Einfluss auf deren Wirken oder Veröffentlichungen, und umgekehrt (und ich bitte daher darum, beiderseitig keine Sippenhaftung oder Erklärungsprompts für Aussagen, Handlungen oder Entscheidungen der anderen vorzunehmen. Alles was ich verbocke oder an Ungefallen auslöse, geht auf mich selbst zurück, nicht auf einen Swami, Orden, Ashram oder Glaubensverband). Mir ist es lieb, regen Kontakt mit meinen Lehrer_innen und Vertrauenspersonen zu halten, weil es nicht zuletzt ein wichtiges Korrektiv ist seitens derer, die viel länger Übung und Erfahrung darin haben, Spiritualität und Seelsorge an oberste Stelle zu leben.
Wie wir uns teffen können
Das Motto meiner Ordinierung lautet ebenfalls ātmano mokṣārthaṃ jagad hitāya ca – „Zur eigenen Befreiung und zum Wohle der Welt“ – und so möchte ich auch meine Zeit und Dienste einsetzen.
- von Februar mit Mai 2024 für Retreats nach Vereinbarung in Indien
- von Juni mit September 2024 für Retreats nach Vereinbarung in Europa
- von Oktober mit Dezember 2024 für Retreats nach Vereinbarung in Asien
Wo, bestimmt ihr. Ihr könnt einen Retreat in irgendeinem Urlaubsgebiet machen oder am heiligen Fluss oder direkt bei euch vor der Haustür.
Vorrang haben Retreats von mehreren Tagen, für Selbstorganisationen und Minorisierte, die von Mehrfachdiskriminierung betroffen sind: intersektionale Gruppen, Schwarze Gruppen, Initiativen of Color, (post)migrantische Organisationen, Personen, die in ihren eigenen Glaubensgemeinden keinen safe space vorfinden…
Sprachen: Englisch und/oder deutsch, nach Wahl; weitere Sprachen sind möglich durch Dolmetschen
Im Retreat teile ich mit euch weniger bekannte Techniken und Aspekte von Yoga (nicht Gymnastik) zur
Linderung von Trauma; Vorbeugung und Linderung von Activist Burnout, Anleitung zu Selbstregulierung und Erholung. Mehr dazu im Archiv auf
https://noahsow.de/community-retreats/ .
Einige Themen vergangener Retreats:
– Activist Burnout vorbeugen und lindern
– Selbstfürsorge in gesellschaftspolitischer Aktivität
– Empowerment und radikale Entspannung
– Angewandte Dekolonisierung im Körper
– Agieren vs Reagieren in Widerstand, aktivistischer Arbeit und täglichem Überleben
– Community-Empowerment-Yoga; decolonizing the body through guided relaxation and trauma-safe meditation techniques (no workout!)
Diese Dinge haben alle miteinander zu tun und können auch miteinander behandelt werden.
Die Länge der Retreats bestimmt ebenfalls ihr. Je länger, desto größer ist die Chance auf Langzeitwirkung. À propos Langzeit:
Swami Vivekananda sagte einmal, dass jedes Dorf einen Mönch haben sollte. Wenn ihr ein ‚Dorf‘ habt und Bedarf und Raum darin für einen Mönch für mehrere Tage oder Wochen, kann ich auf Wunsch auch länger bleiben. Ob ihr einen längeren Tiefen-Erholungs-Retreat organisieren wollt, oder für eine Gruppe in eurer Stadt einen Monat der Einkehr und regelmäßiger Treffen schaffen, wäre alles denkbar.
Ich stehe außerdem zur Verfügung für die oben genannten Gruppen für
– Community-Yoga Klassen
– Community Yoga Nidra sessions (meditativer Heilungstrance und extrem hilfreich bei Abbau von PTSD)
– bei Bedarf: Teacher Training
– Yoga zur Selbstregulierung, zwei Phasen:
-
- 7-10 Tage in Europa im Juni-September
- 20 Tage in Indien im Oktober-November
– Community-Treffen und Gespräche; Satsang. Themen:
-
- Assistenz beim Beleuchten der schwierigen Beziehung zu Spiritualität; welche Überzeugungen und Bedürfnisse haben wir dahingehend? Inwieweit werden die erfüllt? Was wünschen wir uns bzw was brauchen wir?
- Ritual / Gebet
- Sādhana (Beratung zu Praxis von Yoga und Spiritualität im Alltag)
- Mantra Chanting Kurs
– Vorträge. Themen :
-
-
- Religion vs Diaspora
- Dekolonisierung von Yoga
– ggf Sanskrit für Einsteigende
– ggf Mantra Chanting / Vedic Chanting
– Gruppen-Retreats in Asien, z.B. Thailand, Malaysia, Indien, Vietnam… im Zeitraum Oktober-Mai
Schreibt mir eine Mail mit wo , was und wann, über das Kontaktformular oder an swamidhyanananda äth pranavastiftung Punkt de , und ich melde mich, um das wie zu besprechen. Bitte habt Verständnis falls meine Antwort ein bisschen dauern sollte über den Jahreswechsel hinweg, und ich werde mich wohl auch erst einmal in ganz neue Abläufe einfinden müssen.
Für Yogastudios und Gruppen, die keine Selbstorganisationen sind, biete ich an:
- Workshop 2-4 Tage: Mantra Chanting für Yogalehrer_Innen: Hintergrund, Aussprache, Intonation, Bedeutung und benefits.
- Beratung /Workshop für Yogastudios: Das Yogastudio als Stütze sozialer Verantwortung und kultureller Integrität – zur Öffnung, Unterstützung und Einbeziehung belasteter Communities, und Abbau des Kulturclashs mit dem Herkunftsland von Yoga, Indien.
Aufruf zum Mitmachen
Es braucht Stiftungen und Fördervereine, die Dialog und Veranstaltungen für Selbstfürsorge, Heilung von Diskriminierungstrauma, und für Aufarbeitung der schwierigen Beziehungslage von Religion und Diskriminierung fördern und unterstützen. Wenn du für eine Organisation tätig bist, die Empowerment, Religion, interkulturellen Dialog, „Integration“, Radikalisierungsvorbeugung, Völkerverständigung, Gendergerechtigkeit oder Diskriminierungsabbau unterstützt, bitte sende mir eure Förderbedingungen; ich gebe die dann an die suchenden Initiativen, die auf Zuförderungen angewiesen sind, weiter.
Organisationen und Personen können auch direkt spenden, an die
Pranava-Stiftung, die ich zu u.a. diesem Zweck gegründet habe. (Es wäre z.B. auch möglich, als Verwendungszweck „zur Verwendung nur für Projekte OHNE religiöse Themen“ o.ä. anzugeben, und wir befolgen das dann natürlich auch. Ich sag’s nur.)
Oder ihr könntet mir eine Email senden mit Info in welcher Höhe ihr spenden könnt, und ich vernetze euch dann direkt mit einzelnen Gruppen, die für einen Retreat zu wenig Mittel haben.
Yogastudios und Tagungsstätten, die sich öffnen möchten, die Yoga authentisch erleben und/oder die Personengruppen unterstützen möchten, die im Moment noch von hiesiger Yogakultur (oder von Unterricht für Selbstfürsorge) ausgegrenzt werden, meldet euch! Ich tausche Unterricht in Mantra-Chanting (richtige Aussprache und Intonation) und in CPTSD-informiertem Yoga gegen eure Studiozeit.
Auch gebraucht werden Ehrenamtliche Mitstreitende zur Hilfe bei
- Email-Kommunikation
- Vernetzung der Gruppen und Stiftungen
- fundraising
- social media (Verbreitung des Angebots und Aufrufs)
- Mitwirkung bei Organisation und Abwicklung von Terminen
So bald wie möglich soll mindestens ein Honorarposten/eine Stelle entstehen, die das für die Pranava Stiftung macht. Bis dahin ggf als Vorläufer, zumindest als Möglichkeit zu Community Service, ist ehrenamtliche Mitwirkung noch unabdingbar. Vergütung erfolgt zumindest in der Anfangsphase durch Karma, und auf Wunsch Yoga Teacher Training, Anleitung zur Tiefenentspannung und/oder Sanskrit-Unterricht.
Weiterhin betreue ich:
Nicht mehr biete ich an:
Lesungen bisheriger Bücher, die vor 2024 erschienen sind.
Gar nicht erst anfangen möchte ich: theologische Debatten (um konzentriert zu bleiben aufs Lernen und Praktizieren, nicht aufs Parlieren)
Relevante Qualifikationen
… liste ich auf, weil ich es normalisieren möchte, zu beleuchten, wer etwas vorträgt, vor allem auf diesem Gebiet. Bei Religion und Spiritualität ersetzen leider oft Hoffnung und Wunschdenken kritisches Hinterfragen, und das tragische Ergebnis davon kennen wir alle aus Berichterstattung über Scharlatane, Sekten, Hörigkeit und Missbrauch.
Das Indische System für seriöse religiöse Lehre sieht vor, dass eine Person, die irgendetwas im Zusammenhang mit Religion teilt oder mitteilt, einer genau definierten Linie, Lehrtradition und Gruppe entspringt, und sich auf diese auch zu beziehen hat. Ja, das schließt viele spontanerleuchtete Yogidarsteller und charismatisch-verschrobene Erlösungsverkäufer direkt aus. Das Problem ist nicht so sehr, dass deren Inhalte alle falsch wären – sie haben schließlich auch Zugang zu den Lehren gehabt – , sondern dass sie diese Lehren ungehindert für persönlichen Vorteil kompromittieren und verändern können, weil keine_r sie dafür zur Rechenschaft zieht. Dass einige selbsternannte Gurus ein durch aufrichtige Aha-Momente aus traditioneller Lehre erworbenes Vertrauen für die eigene Bereicherung nutzen, das ist die Gefahr. Wäre alles, was sie sagen, Quatsch, wäre es nicht so gefährlich.
Eine gute Faustregel ist, keinen zu trauen, die sich selbst „Guru“ nennen, als erleuchtet bezeichnen, auf Fragen aus dem Publikum mit Gelächter antworten, oder in Reichtum und/oder mit Harem leben (gibts alles; ich wünschte diese Aufzählung wäre überspitzt).
Meine Credentials sind natürlich auch überhaupt kein Garant für Integrität und Qualifikation, aber zumindest können vielleicht, so möchte ich jedenfalls denken, die untersten beiden Punkte darauf schließen lassen, dass meine persönlichen Interessen nicht Harem und Reichtum sind.
Stand 2023:
- 9 Jahre (davon 4,5 Jahre im Noviziat) Studium von Advaita Vedānta: Upanishaden , Bhagavad Gita sowie Leben, Wirken und Philosophie von Sri Ramakrishna und Sarada Devi
- 9 Jahre konzentriertes Lernen von Hinduismus, Hinduistischen Philosophien, Veden und begleitenden Disziplinen
- 5 Jahre Lernen von Pūjā, Ārti, Homa ( Rituale, Zeremonien), Einsatz als Pujari im Tempel
- 5 Jahre Lernen von Vedischem und Puranischem Chanting und Mantras
- 4,5 Jahre Studium von Sanskrit
- 3 Jahre Unterrichten von Vedic Chanting
- 2 Jahre Unterrichten von Sanskrit für Einsteigende, mit kulturellem Hintergrund und intersektional safer
- 12 Jahre systematisches Lernen von Hatha Yoga zur Selbstregulierung (gem. Bihar School of Yoga)
- 10 Jahre Unterrichten von Yoga zur Linderung von komplexem Trauma und diskriminierungsbedingtem Stress
- 10 Jahre Unterrichten von Mantra , Meditation, Fokus Training
- Ausbildung in Indien als Yoga-und Meditations-Lehrperson und für Yogatherapie
- 40 Jahre (davon 20 Jahre in angewandter) Erfahrung in Antirassismus- und Empowermentarbeit
- Nebeninteresse seit 1997 Neurowissenschaft, insb. im Rahmen von Ernährung, Bewegung und kognitiven Prozessen
- nichtbinär
- trauma-informiert , insb. hinsichtl. komplexer traumatischer Belastung
- Autismusspektrum- und ADHS-informiert
- Sannyasa Diksha 2023
- Armutsgelübde
- Zölibat
Fallen die Retreats denn jetzt unter Religion/Hinduismus oder nicht?
Jein. Ich persönlich folge Advaita Vedānta, unterrichte es aber nicht. Vedanta und Yoga entspringem dem Hinduismus, können aber auch ohne.
Advaita Vedanta ist die ehemalige Geheimlehre dessen, was Jahrtausende später (von Besatzungsmächten) als „Hinduismus“ zusammengefasst wurde. Als mystische/metaphysische Philosophie funktioniert und operiert Vedānta auch außerhalb und unabhängig von Hinduismus oder sonstigen Glauben und Glaubensrichtungen. Es ist absolut möglich, Vedantin zu sein ohne Hindu oder überhaupt religiös im herkömmlichen Sinne zu sein, und umgekehrt. In Indien kommt das nicht so oft vor, im Westen ist es fast die Regel.
Da ich aber nicht nur Vedānta studiere sondern auch Rituale, Vedisches Chanting, Gebete, auch verschiedene andere Auslegungen der Bhagavad Gītā als die nichtduale, und Yoga und tantrische Meditationstechniken übe und unterrichte, und da viele meiner Lehrpersonen indische Mönche mit Affinität zum Hinduismus sind und waren, kann ich nicht behaupten, dass ich persönlich unbeeinflusst von Hinduismus operiere.
Ich habe übrigens vollstes Verständnis für alle, die das, was ich hier schreibe, im Moment noch zu bizarr finden. Und ich möchte keine Werbung dafür machen, religiös zu werden, zum Einen weil ich das gar nicht unbedingt als an sich safe erachte, und zum anderen weil seitens Hinduismus Bekehrungsversuche geächtet und in vielen indischen Bundesländern sogar verboten sind. Es ist aber nun mal auch wahr, dass der Moment, in dem es mir möglich wurde, mich selbst unabhängig von Überlebensanstrengung im feindlichen Umfeld wahrzunehmen, und mich dem zuzuwenden, was meine eigenen und eigentlichen Interessen denn sind, zusammenfiel mit dem Moment, in dem ich für die Lehren von Yoga und Vedānta offen wurde, zum erstenmal Gebete und Puja erlebte als Formen von Religion und vor allem in communities, die mich affirmativ mit einbezogen und keinerlei Elemente von Feindseligkeit mir gegenüber aufwiesen, und ich seither mein Leben als um ein vielfaches erfüllter wahrnehme als zuvor. Wirklich gar kein Verleich. Da ich das für keinen Zufall halte, will ich zumindest anbieten, das, was mir so gut tut, zu teilen. Und werde auf Anfrage nach Kräften versuchen, für Personen, denen das wichtig ist, jeweils kompatible Versionen anzubieten.
Generell möchte ich Umstände schaffen helfen, in denen wir das gemeinschaftlich unaufgeregt besprechen können.
Gemeinschaft ist dabei ein wichtiges Wort, weil die Lehren von Vedānta und Yoga keine Philosophien aus Büchern sind, sondern mündliche Traditionen, die in Lehrtradition zwingend in direktem persönlichen Kontakt (nicht nur auf Youtube!) weitergegeben werden, und die von nahem Umfeld – Familien, regionale, kulturelle oder philosophisch-ideologische Communities – begleitet werden müssen, um die volle Wirkung entfalten zu können. Selbststudium kann kurzweilig sein, führt aber i.d.R. an der Sache vorbei und schafft oft sogar mehr Verwirrung als zuvor; im besten Fall etwas Trost und Ablenkung. In ordentlicher Beschäftigung mit den Lehren in bestimmungsgemäßer Darreichungsform ist viel, viel mehr drin als in Selbstlernversuchen. Und weil es an dem Punkt für viele Menschen, die durch Mehrfachdiskriminierung belastet sind, ganz besonders schwierig wird, sehe ich es als wichtigen Schritt, hierfür Räume und Möglichkeiten zu finden.
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Ich wünsche dir und euch erholsame und liebevolle Feiertage, oder zumindest erträgliche und dramafreie, und den besten denkbaren Rutsch ins neue Jahr! Lasst uns 2024 unter das Motto Selbstfürsorge und Community stellen.
Yours,
Swami Dhyānānanda
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